Gentechnik-Verbote bald durchgesetzt?
Über 320.000 fordern Verbot auf Bundesebene
Umweltstaatssekretär Flasbarth fordert bei Unterschriftenübergabe bundeseinheitliches Gentechnikverbot / Minister Hendricks, Maas und Gabriel müssen für starkes Gentechnik-Gesetz sorgen / "Wenn 16 Bundesländer entscheiden, droht ein Flickenteppich."
Zahlreiche Umwelt- und Landwirtschafts-Organisationen übergaben heute über 320.000 Unterschriften an Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Die Unterzeichner fordern ein starkes Gentechnik-Gesetz, mit dem die alleinige Kompetenz für bundesweite Verbote von Gentechnik-Pflanzen bei der Bundesregierung liegt. Flasbarth stellte sich bei der Unterschriftenübergabe klar hinter diese Forderung. Alle SPD-Ministerien und die breite Mehrheit der Länder wollten eine bundesweite Lösung. Diese böte mehr Rechtssicherheit als Einzelverbote durch die Länder.
Mit dem aktuell vorliegendem Gesetzentwurf von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) würde die Verantwortung für Umsetzung nationaler Anbauverbote auf die Bundesländer verlagert - und damit das Verbot von gentechnisch veränderten Pflanzen unterlaufen. Die Organisationen fordern daher von Umweltministerin Barbara Hendricks, Justizminister Heiko Maas und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (alle SPD) diesen Gesetzentwurf zu verhindern.
Christoph Bautz von Campact kommentiert: "Mit dem Gesetzentwurf von Agrarminister Schmidt müssten 16 Bundesländer jeweils über den Anbau von Gentechnik entscheiden. Damit droht ein Flickenteppich - und Gentechnik könnte zurück auf unsere Felder kommen. Die SPD-Minister haben es jetzt in der Hand, ob Gentechnik-Pflanzen bundesweit verboten werden können - und damit Politik für die Menschen im Land gemacht wird." Zudem würde durch eine Bundeslandregelung ein gigantischer Bürokratieaufwand entstehen, ohne dass ein flächendeckendes Verbot sicher ist.
Benny Härlin von der Saatgut-Initiative Save our Seeds (SOS) erläutert, welche Risiken ein Verbots-Flickenteppich birgt: "Pollen von Gentech-Pflanzen macht nicht an Landesgrenzen halt - Wind und Insekten tragen ihn darüber hinweg. Schmidts Kleinstaaterei wäre das Ende der Gentechnikfreiheit in Deutschland. Wenn die SPD mit einem Kompromiss in die Verhandlungen mit Schmidt geht, wird sie mit Gentech-Mais herauskommen."
Peter Röhrig von Bio-Dachverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) weist auf die finanziellen Auswirkungen des Gentechnik-Anbaus hin: "Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen in Deutschland würde Lebensmittel teurer machen, weil gentechnikfrei wirtschaftende Landwirte und Lebensmittelverarbeiter mehr Aufwand treiben müssten, um Verunreinigungen zu verhindern. Denn bisher kommen diejenigen, die Gentechnik nicht anbauen wollen, für die Schäden auf. Daher ist ein nur bundesweites Anbauverbot der richtige Weg, um auch zukünftig nicht nur gute sondern auch bezahlbare gentechnikfreie Lebensmittel herzustellen. Denn die wünschen sich die Kunden." Röhrig weist darauf hin, dass die 320.000 Unterschriften für bundesweite und bundeseinheitliche Gentechnik-Anbauverbote in nur wenigen Tagen zusammengekommen waren.
Ob und welche gentechnisch veränderten Pflanzen überhaupt in Europa angebaut werden dürfen, entscheidet die Europäische Union nach einem umstrittenen Verfahren. 2014 einigte man sich darauf, dass einzelne Mitgliedsstaaten über nationale Gentech-Anbauverbote künftig leichter selbst entscheiden dürfen. Dieser Beschluss wird nun in nationales Recht umgesetzt.
Die Bundesländer hatten bereits im vergangenen Jahr beschlossen: Gentechnik-Anbauverbote sollen einheitlich vom Bund ausgesprochen werden. Die Koalitionspartnerin SPD und alle ihre Landesregierungen haben sich wiederholt für einheitliche Gentechnik-Anbauverbote für ganz Deutschland ausgesprochen. Umweltministerin Hendricks sagte im Januar: "Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen." Ohne Zustimmung der SPD-Ministerien kann Schmidt das Gesetz nicht durch das Kabinett bringen. Die Initiatoren des Online-Appells fordern nun von der SPD, Wort zu halten und sich in der Regierung für bundesweite und bundeseinheitliche Anbauverbote stark zu machen.
Die Initiatoren des Online-Appells sind: Campact, Save our Seeds (SOS), IG Nachbau, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Naturland, Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Demeter und Schrot & Korn.